Texte zur Ausstellung

Xcult - Die Ausstellung
Zur Repräsention ihrer eigenen virtuellen Existenz zeigen wir: Dinge.

Die Grundidee des von Markus Schwander für Xcult realisierten Ausstellungskonzepts im Kunstmuseum Thun zielt auf die Frage nach dem Realitätsgrad von Dingen und Bildern, oder, anders gesagt, nach dem Bildsein von Dingen und dem Dingsein von Bilder.
Sind ausgestopfte Tiere Bilder: Bildtiere oder Tierbilder, wenn man bedenkt, dass diese Bilder die (ausgestopften) Tiere selbst sind? Sind Hosen aus Karton, welche aussen rundherum die Abbildung einer textilen Hose zeigen das Bild einer Hose oder doch selber eine Hose (aus Karton)? Sind gemusterte Tapetenstücke Bilder oder Dinge (Tapeten eben)? Ist eine echte Banane neben täuschend echten Bananen für unsere Augen mehr Banane als diese? Sind Gebrauchsgegenstände, die als Arrangement für ein Stilleben komponiert werden selber schon Bild?

Xcult - Die Ausstellung reiht auf Podesten und Sockeln viele solche Objekte auf, die sich im Ding-Bild-Zwischenstadium befinden. Und wenn man sie auf den ersten Blick nur einfach als Dinge wahrnimmt, als materia prima der Objektwelt gewissermassen, die nur Vor-Bild für eine virtuelle Repräsentanz auf Xcult sein kann, wird ihnen - den Dingen (oder unserem Blick auf sie) - durch ihre Ausstellung die blosse Dinghaftigkeit schnell ausgetrieben. Sie changieren zwischen dem Ding- und dem Bild-Sein. Und dieser interaktive Effekt wird in der Ausstellung durch die einem Desktophintergrund nachgemalte Farbe Strawberry auf Podesten und Sockeln verstärkt.

Die virtuelle Realität von www.xcult.org hat in der Ausstellung analoge Dinge abgesondert. Ihre Abbildung im Netz und ihre nachfolgende Ausstellung im Museum hat sie transformiert. Sie re-repräsentieren ihre eigene Existenz, wenn dieser Begriff übergaupt Sinn macht. Die Dinge verwirren sich mit ihren Abbildern, und die Behauptung einer virtuelle Realität des Internets wird als Scherzfrage entlarvt: Steckt die Virtualität nicht schon in den Dingen und unseren Köpfen, bevor sie - die Dinge und die Köpfe - auf Xcult ihr Unwesen treiben?
Welcome to the show. Reinhard Storz



Besprechung in DER BUND, 05.05.00
Die neue Reihe enter löst die Jubiläumsveranstaltungen next stop als Monatsausstellung ab. In einer amüsanten Inszenierung wird das virtuelle internationale Kultur-Forum Xcult mit der Internetadresse www.xcult.org - Web-Magazin, Shopping Mall und Labor in einem - vorgestellt. Zentral stehen zwei Computer zur Verfügung, die einerseits erlauben, die komplexen Netzaktivitäten von Xcult mit über neunzig Projekten, Autorinnen und Autoren zu durchforsten, anderseits können auch Kommentare und Informationen zu den ausgestellten Werkbeispielen abgerufen werden. Zu den kollektiven und individuellen Kunstprojekten auf dem Netz, die Xcult mitproduziert, kommt ein umfangreiches Textangebot für Fachleute aus dem Kunst- und Medienbereich. Es dient dem Anliegen, Kunstprojekte und Kunsttheorien nebeneinander zu stellen, wie sich in der Ausstellung reale und virtuelle Realität begegnen.
von Fred Zaugg