Christine Streuli, Amden schaut dich an, 2007

Die Ausstellungsreihe ist aus einer Forschungsarbeit hervorgegangen, die sich mit sozialen und künstlerischen Experimenten auf dem Boden der Schweizer Berggemeinde Amden am Walensee im frühen 20. Jahrhundert befasste. Es ist zum einen die Geschichte der von Josua Klein (1867-1945) – einem in Meran aufgewachsenen, in den USA zu Geld gekommenen Unternehmer und «Propheten» – angelegten lebensreformerischen Siedlung Grappenhof, zum anderen die Ereignisse in der um den Berner Otto Meyer-Amden (1885-1933) entstandenen Künstlerkolonie. Werke von Meyer-Amden und seinen Künstlerfreunden sowie ortsspezifische Arbeiten heutiger Künstler waren 1999 anlässlich einer zeitgleichen Parallelausstellung im Kunsthaus Glarus und in Amden zu sehen, zu der auch ein Symposium stattfand.

Seither werden internationale Künstlerinnen und Künstler, die bereit sind, Werke zu schaffen, welche den Ort ihres Entstehens mitreflektieren, nach Amden eingeladen, um in der Auseinandersetzung mit dieser kultur- und kunstgeschichtlich bedeutsamen Landschaft sich zu Arbeiten inspirieren zu lassen, die sie ebendort ausstellen und mit dem Publikum diskutieren können. Künstler, Kunstwerk und Betrachter gehen so mit der topographischen Umgebung ein je individuelles Verhältnis ein, das den Wahrnehmungs- und Erkenntnishorizont der Beschäftigung mit heutiger Kunst neu zu definieren vermag. Die in Amden entstandenen und dort auch erstmals sichtbar gewordenen Werke sind Zeugnisse ortsspezifischer Kunst nicht nur in der Hinsicht, dass sie in ihrem jeweiligen Eigen-Sinn zu zeigen vermochten, wie Kunstwerke vom Ort ihres Erscheinens und Wahrnehmens geprägt sind. Sie werden auch, wohin immer sie diesen Ort mitnehmen, auf Amden als Atelier verweisen.

Roman Kurzmeyer


«Die Scheune steht ohne Aufsicht und Kontrolle Tag und Nacht offen, es gibt weder Ticketverkauf noch einen Sensor, der die Zahl der Besucher festhält. Somit ist dieser Projektraum aus Stein und Holz, festgetretenem, erdigem Boden und Heugeruch eine von institutionellen Zwängen befreite, experimentelle Bühne. Die Aussenwand schmückt ein auf historische lokale Tourismuswerbung anspielendes Emailleschild mit der Aufschrift 'Museum', das Christine Streuli im Jahr 2007 angefertigt hat. Scheint diese Bezeichnung für das ländliche Einfachstgehäuse reichlich verwegen, so macht das Schild doch eine Grundvoraussetzung ästhetischer Wahrnehmung bewusst: dass Muse und Musse auf langen, vielbesuchten Marschrouten durch Museen oft zu kurz kommen; im nur zu Fuss zu erreichenden 'Museum' hoch über dem Walensee hingegen verbindet sich akustische Stille mit visueller Stille, und innere Ruhe intensiviert das Sehen und das Hinschauen.»

Gabriele Detterer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. August 2009