7.11.00


Es ist nicht die Freude an der Technologie und auch nicht das Bedürfnis nach globaler Kommunikation oder Information, die schon aus Kindern Computerfreaks macht, sondern das Spiel. Die Industrie hat längst begriffen, dass sich da zwei fette Fliegen mit einer Klappe schlagen lassen. In der Gegenwart stellt die fürs elektronische Spiel benötigte Soft- und Hardware ein Riesengeschäft dar. Und für die Zukunft züchtet man sich eine Generation von Käufern heran, die nicht nur keinerlei Scheu vor technologischen Produkten haben, sondern auch auf den Geschmack am Neuesten ge-bracht worden sind. Denn die neueste Software läuft meist auch nur auf den neuesten Maschinen wirklich gut.
Die Lust am elektronischen Spiel hält aber nicht nur Kinder auf Pixeltrab, sondern auch Erwachsene. Und namentlich unter den Künstlern gibt es viele, denen das Spielfieber einen mal eher nach Subversion, mal eher nach Affirmation duftenden Schweiss aus den Poren treibt.
Wie unterschiedlich sich die Künstler auf dem grossen internautischen Spielplatz aufführen, zeigt derzeit auch die «Version 2000» im Genfer Centre pour l’image contemporaine Saint-Gervais. Diese Biennale für Kunst mit neuesten Technologien, die seit 1994 durchgeführt wird, wurde am vergangenen Wochenende mit einer Reihe von Podiumsgesprächen, Projektpräsentationen und Performances eröffnet (Ausstellung bis 17. Dezember). Ins Zentrum der diesjährigen Ausgabe hat Kurator Simon Lamunière das Thema «Spiel» gerückt.
Nebst all den Projekten von Julian Opie, Angela Bulloch, Uri Tzaig, Yves Netzhammer, General Document, Peter Friedl, Claude Closky, Stefan Altenburger etc., die hauptsächlich vor Ort, also im Centre selbst oder an anderen Genfer Kunstorten funktionieren, stellt «Version 2000» auch einige Arbeiten vor, die zu einem gewichtigen Teil übers Netz ablau-fen. Zwei recht unterschiedliche Projekte seien hier kurz vorgestellt (Links zu weiteren Netzarbeiten und Informationen über die «Version 2000» unter der Adresse: http://www.centreimage.ch).


Fragen und Antworten
Der in Paris domizilierte Cercle Ramo Nash, der in Genf eine Arena mit lauter plappernden Puppen zeigt, bietet auf dem Netz mit dem Projekt «Sowana» einen Freund für einsame Stunden an. Wer sich auf diese Seite begibt, kann über die Tastatur mit Sowana ein Gespräch führen. Thema ist die Kunst, doch Sowana hat auch für Fragen aus anderen Lebensberiechen ein paar verwirrende Antworten auf Lager. Ob dieses Spielchen Spass macht oder nicht, hängt essentiell von den eigenen Fragen ab – überlisten kann man Sowana nicht und irgendwann taucht der Verdacht auf, dass man sich da vielleicht eher selbst an der Nase herum durch die Kunstterminologien führt. Wer mehr Zeit investieren möchte, der kann sich mit seinen Fragen auch an Holger Friese wenden. she
Sowana: http://www.thing.net/~sowana
Friese: http://www.antworten.de


Exekutionen und Invasionen
Eine beliebte Methode der Künstler im Umgang mit kommerziellen Computerspielen ist das Bearbeiten der Source Codes. In Genf führt das sowohl auf der Ebene der Programmierung als auch der räumlichen Umsetzung zum Beispiel die Gruppe Reload (http://www.re-load.org) vor, deren Arbeit um den schiesslustigen 3D-Klassiker «Quake» kreist. Während manche hier die kritische Distanz vermissen könnten, zeigt Dirk Paesmans von Jodi mit seiner Bearbeitung des Spiels vor wie sich aus wüsten Monstern abstrakte Muster machen lassen. Auf ganz andere Art verwendet der ebenfalls in Paris beheimatete Invader Elemente aus einem Computerspiel. Ausgangspunkt seiner Arbeit sind die Raumschiffchen von «Invasion», das quasi aus der Kreidezeit der Computerspiele stammt. Diese Schiffe transportiert er auf die verschiedensten Weisen in den realen Raum und hat sich ganz offenbar vorgenommen, die ganze Welt zu invasieren. Wie weit das Projekt fortgeschritten ist und wie man selbst diese Invasion vorantreiben kann, erfährt man auf seiner Seite. Die dazugehörigen Videos (mit Quick Time) allerdings sind etwas zu schwer geraten. Es braucht eine solche Zeit bis diese Bilder zu laufen beginnen, dass man fast befürchten muss, die Invasion der Erde könnte unter-dessen schon abgeschlossen sein. she
http://www.space-invaders.com
http://www.anonymous-tv.com