10.10.00


Am Computer ist der Körper mit im Spiel, reduziert auf Fingerbeeren-Interface und muskuläre Mausklicks, mit denen wir uns im Internet von Australien nach Alaska bewegen. Auch im Netz selbst ist der menschliche Körper omnipräsent. Pornographie und wissenschaftliche Körperbilder dominieren das Angebot, aber auch in Kunstprojekten wird der menschliche Körper thematisiert. Nicht selten wird dabei zu wissenschaftlichen Bildern und Methoden Bezug genommen, denn diese können durch einfache Kontextumdeutung manchmal stark kunstanregend wirken.
Ein bekanntes Beispiel ist "The Visible Human Project"®. 1991 wurde an der Universität von Colorado ein 39jähriger Mörder nach seiner Hinrichtung zu gut 1800 Bildern von 4mm Dicke verarbeitet. (Was Anderes als Bilder sind solche Scheiben?) Der frische Leichnam wurde in Gelatine eingelegt, gefroren und dann von Kopf bis Fuss tranchiert. Seit 1996 sind die Fotos im Web für wissenschaftliche Zwecke abrufbar. Heute sind es aber vor allem Künstlerprojekte, welche das Bildmaterial zugänglich machen.
http://www.formless.org
http://gsa.rutgers.edu/maldoror/VHP_Zone/index.html


Bodyscan
Unter den Stichworten "body + scans" erhält man im Suchprogramm 145.000 Referenz-Seiten, wobei künstlerische, kommerzielle und wissenschaftlich-technologische Bildanwendungen gleichwertig nebeneinander stehen. Auf der Seite "Passformsichere Konstruktion von Miederbekleidung" (www.hohenstein.de/prescon14.htm) kann man zum Beispiel erfahren, was genau unter Bodyscan zu verstehen ist. Auch die österreichische Künstlerin Eva Wohlgemuth arbeitet mit den eigenen Oberflächendaten. Im Projekt "Bodyscan" benutzt sie ihre verkleinerte 3D-Figur für animierte Bildmontagen in Flash-Technik. Unterlegt mit Musik, gesprochenen Worten und Textsequenzen entstehen Bilder, die den technologischen Umgang mit dem menschlichen Körper poetisch transformieren. rest
http://www.thing.at/bodyscan/


Mediale Krankheit
Dermatologische Bilder sind bei Künstlern beliebt, denn Hautkrankheiten zeitigen oft erstaunlich malerische Effekte. Die findet man, auf einer deutschen Ärzteseite, auch in der zugehörigen Sprache: "Kontaktekzeme zeigen sich als Rötung, Knötchen- und Bläschenbildung, Nässen, als gelbliche Krusten und Borken."
Der Schweizer Künstler Markus Käch hat seine eigene dermatologische e-Klinik gegründet. In seinem "Institut für mediale Krankheiten" zeigt er Methoden der Erkennung und Behandlung von "Software-geschädigten Körperpartien und Hautoberflächen". Käch erzeugt seine Krankheitsbilder, indem er Körperausschnitte einer Behandlung mit Photoshop-Filtern unterzieht. So entsteht etwa das Fraktal-Syndrom, das
Pixelbreeze-Syndrom oder das Ripple- und Splatter-Syndrom. Der Vergleich von populären Techniken der Bildberabeitung mit naturbedingten Form- und Pigmentveränderungen bei Hautkrankheiten wirkt erschütternd komisch. rest
http://www.moving-art-studio.com/september/media_diseases.html


Subkutanes Interface
Das Enfant Terrible der erweiterten Body Art ist der australische Künstler Stelarc. Seit den 90er Jahren realisiert er groteske Performances mit stählernen Armprothesen, Industrierobotern und Magensonden. Stelarc untersucht in seiner Arbeit das Verhältnis von Körper und Technologie. Er erprobt an sich, was Luigi Galvani im 18.Jh. an amputierten Froschschenkeln herausgefunden hat: die physiologische Tatsache, dass elektrische Impulse zu Muskelkontraktionen führen. So erfand Stelarc in der Performance "parasite" ein subkutanes Interface zwischen dem Datenfluss des Internets und seinem Körper. Über elektrische Impulsumwandlung bewirkten Bildinformationen aus dem Netz am Künstler fremdgesteuerte Körperbewegungen. Stelarcs Performances sind theatralische Shows mit grossem technologischem Auwand. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen sie wohl kaum, als künstlerische Praxis sind sie aber bemerkenswerte Beiträge zum aktuellen Technologie- und Mediendiskurs. rest
http://www.stelarc.va.com.au/parasite/index.htm