Rayelle Niemann

Fragen an Köppl/Zaçek von Rayelle Niemann
3.3.2002


Zusammenarbeit

Rayelle Niemann: Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit und zu der "Entscheidung", Performances zu machen, was war eure Motivation?

Jörg Köppl: Das war nicht so eine Entscheidung, das war ein Zufall, eigentlich.

Peter Zacek: Zufall, sagst Du? Das war doch schlicht und einfach eine Anfrage deinerseits. Du suchtest für "Die bemannte Drehung" den zweiten Mann.

JK: Genau.

PZ: Einen starken Mann ... (Gelächter). Einen Mann der fähig ist, dieses Teil zu drehen und das war dann "zufällig" ... ich.

JK: Mit Zufall meine ich, dass die Performance eigentlich nicht..., dass es eine Performance sein würde, war im Konzept schon klar, aber stand nicht im Zentrum, es ging um die Drehung, es ging nicht um die Performance, eigentlich ...

RN: Wie muss ich das verstehen, was ist da der Unterschied? Jetzt verstehe ich es so: Sobald ich eine Umdrehung in der Öffentlichkeit mache, wird es zu einer Performance.

JK: Ja (Gelächter). Ja, der Prozess war natürlich immer wichtig, das kam aus dieser Prozessidee "Giessen und Drehen" heraus und das war dann das erste Mal, dass es wirklich als Ereignis so stattgefunden hat und nicht als Spuren präsentiert wurde. Diese Drehgeschichten, die haben mich vorher schon lange beschäftigt. Aber es hat sich dann alles auch sehr verändert, durch die Zusammenarbeit, weil da plötzlich ganz neue Momente reinspielten: dass es plötzlich zwei sind, die rollen und drehen, die Symmetrie kam ins Blickfeld.

PZ: Wobei - es war doch auch so, dass wir unmittelbar im "Magier" gerade nochmals diese Performance zeigen konnten und dann nochmals.

JK: Die haben wir fünf mal gezeigt ...

PZ: Fünf mal? Aber es ging doch so schnell und auch auf eine Art so unerwartet und wir spielten uns da ein. Da wurde doch das ganze Teil schon sehr von uns beiden manipuliert. Es war ja ein Wahnsinnsteil – die "Ur-Bemannte-Drehung".Die erste "Bemannte Drehung", das war ja ein unmögliches Vehikel ...

JK: Da waren noch Enten im Spiel ...

PZ: Die Überwachungskamera ...

JK:. Das haben wir dann reduziert, je länger wir es aufgeführt haben ...

PZ: Genau, am Schluss war wirklich die Drehung das Zentrum und alles rundherum war weg.

RN: Du hast vorhin von einem Prozess gesprochen. Was war damals der Prozess, um was ging es da und wo hast Du angesetzt? In welche Richtung war denn der Prozess offen?

JK: Das war eigentlich eine Metapher für einen Prozess und es war eine skulpturale Geschichte. Ich habe Gegenstände mit aushärtenden Flüssigkeiten übergossen und die gedreht und den Prozess wiederholt; dadurch entstanden sehr komplexe Körper. Ich habe es eigentlich immer als eine Metapher für Prozesse aufgefasst. Was mich lange beschäftigt hat, war die Denkbarkeit der Veränderung für mich selber zu realisieren, das war für mich ein Ausgangspunkt für diese Entwicklung.

PZ: Hast Du das verstanden? Mit dieser Flüssigkeit, z.B. Gips, ein Stuhl, der Stuhl wird im Gips gedreht, der Gips bleibt am Stuhl etc.

RN: Ja, was interessant ist bei dieser "Bemannten Drehung", dass Du durch Deine Person Bestandteil dieses Prozesses wirst. Und – der dass der Verhärtungsmoment ausgespart wird.

JK: Der war eben anfänglich noch dabei. Ich bediente während der Drehungen eine Schreibmaschine oder auch ein Mikrophon. Die Aushärtungen schlugen sich dann hier nieder: Die Schreibmaschine funktionierte plötzlich nicht mehr, ich konnte nur noch vertikal schreiben. Und auch bei der zweiten Aufführung, bei der das Mikrophon und eine digitale Loopmaschine beteiligt waren, war es so, dass sich jede neue Stellung niedergeschlagen hat.
Das war anfänglich dabei, bis das Spiel zwischen Peter und mir dann immer wichtiger wurde und diese Aushärtungen, Niederschriften oder Spuren überzeichnet hat. Das war dann einfach nicht mehr so wichtig.

RN: Was ich als Unterschied festmachen kann, ist, dass du vorher rein mit Materialien gearbeitet hast, die du selber manipuliert hast oder manipulieren konntest bis zu einem bestimmten Punkt, bevor sie dann in ihrer physikalischen Unterwerfung stagniert sind. Und bei dieser "Bemannten Drehung", bist Du ja eigentlich der Dreh- und Angelpunkt.

JK: Ja, ich wollte mich als Subjekt in diesen Prozess einbringen, eigentlich, das war schon die Idee, das war eigentlich auch das Grundthema: Bezug zur Gravitation und zum Planetensystem.

RN: In euren ersten gemeinsamen Arbeiten, die mit Video und Bild dokumentiert sind, "Bemannte Umdrehung", Doppelstuhl" und Gefährt", kommt ihr euch sehr nahe, bzw. es findet eine Art Auflösung von 2 Personen hin zu einem "dritten", neuen Wesen statt: ihr baut Vehikel, in denen eure beiden Körper eingebunden sind und so einen neuen Bewegungskörper bilden, der völlig andere Herausforderungen und Möglichkeiten der Fortbewegung bietet, ganz abgesehen vom äusseren Erscheinungsbild. Was hat euch daran interessiert?

JK. Ein Teil war natürlich die Behinderung. Die Behinderung, die uns dann in eine Situation bringt, in der wir kein Rollenspiel betreiben müssen...

PZ: Ja, auch eine gewisse Abhängigkeit. Der "Doppelstuhl" ist schon sehr klar. Das ging ja immer auf die Kosten des Anderen, also die Fortbewegung. Irgend einer von uns hat immer gelitten. Wenn ich jetzt eine Bewegung oder eine andere Stellung provozierte, dann musste der Andere sozusagen "hinhalten", also sich opfern, damit das für mich überhaupt möglich war, eine neue Stellung, eine neue Position einzunehmen. Und das war schon eigentlich das Ding an diesem "Doppelstuhl", oder? Dass nichts, keine Bewegung an sich funktioniert, ohne dass es jemandem wehtut.

RN: Ist das für euch auch eine Metapher, wie ihr sonst Beziehungen wahrnehmt und erlebt?

PZ: Ja, mir gefällt es nicht so, dieses Metapherzeug da ... (Gelächter) Ja, es ist doch so einfach über Metaphern zu argumentieren und ich möchte ein bisschen wegkommen von der Metapher. Aber es ist möglich, dass wir ursprünglich schon versucht haben, uns selber über Metaphern eine Richtung zu geben. Weil wir ja auch oft tatsächlich nicht wirklich wissen, was wir machen, oder? Und durch das wie einen Ausweg oder eine Möglichkeit in Betracht ziehen, wie es sein könnte...

JK: Wie es gelesen werden könnte, dass wir das einbeziehen. Die Idee für den Doppelstuhl kam von Peter. Auch die Symmetrie spielte plötzlich eine wichtige Rolle. Dass wir eine symmetrische Situation für zwei Körper hergestellt haben.

PZ: Es kam ja aus der "Bemannten Drehung", der "Doppelstuhl", also das Drehen, immer noch das Drehen – um einen Mittelpunkt halt.

RN: Auch um sich selbst ...

PZ: ... um sich selbst. Oder auch das Kreisen, Drehen, ...

RN: Ist es etwas Zielloses, oder ist das Drehen selbst das Ziel, wenn es überhaupt eins gibt?

PZ: Es ist doch ein gewisses Ausgeliefert-Sein, das denke ich, ist da stark drin.

JK: Das Ziel war eigentlich nie fixiert. Es gab keinen Punkt, der erreicht werden sollte, den haben wir uns vorgegeben – manchmal, um klar zu bleiben in der Bewegung, aber es war nicht ... Zielvorstellungen sind uns eigentlich eher fremd, denke ich.

PZ: Was haben wir festgestellt mit dem "Doppelstuhl"? Wir haben festgestellt: das funktioniert! Wir könnten so leben!

RN: O-O-W ... (Gelächter)

PZ: In Anführungs- und Schlusszeichen, ja. Wir könnten tatsächlich, wie du das ja vorher festgestellt hast, aus zwei Individuen ein drittes Teil herstellen, das für sich wieder funktioniert, oder? Und das funktioniert! Der "Doppelstuhl" funktioniert! Als autonomes ...

RN: ... als eine autonome Einheit ...

PZ: ... und ist eben etwas Neues!

RN: Und euer Dialog in den Performances wird zusammengehalten und bestimmt von Material, das selbst auf die Entstehung von etwas Neuem hinweist: Holz, Klebstreifen - sind die ausgewählten Materialien Mittel zum Zweck oder sind ihre Konnotationen ebenso wichtig?

PZ: Wir versuchen natürlich schon möglichst die einfachsten Materialien zu benutzen. Das Gefährt, ich denke, das funktioniert nur so, mit Klebband und mit diesen Kanthölzern. Weil das Klebband nicht steif ist, es verbindet die Hölzer nicht so, das sie wirklich fixiert sind, sondern sie bleiben noch beweglich. Auf eine Art haben wir da, nicht bewusst, eher unbewusst, das richtige Material ausgesucht.

JK: Es sollte möglichst einfach sein und das richtige Material. Und es wurde über die Funktion ausgewählt. Die persönlichen Vorlieben für eine bestimmte Sprache spielen da schon eine Rolle. Die Arte Povera gefällt uns beiden gut. Das ist eine gemeinsame Ästhetik.

PZ: Auf Klebband fahren wir ab! (Gelächter)
Es gab eine Zeit, da hatten wir immer Klebband dabei, ob wir es brauchten oder nicht.

JK: Die Schraubzwingen waren auch lange wichtig. Also auch temporäre Verbindungen. Welche Instrumente erlauben uns auch beweglich zu bleiben? Eine Schraubzwinge kann man lösen, Klebband bleibt dynamisch und Holz gibt’s überall.
Wir haben das Klebband immer flexibel eingesetzt, wir hatten auch immer ein Messer dabei. Und liessen auch immer einen grossen Haufen verbrauchtes Klebband zurück. Wir haben Klebband selten als definitives Verbindungsmittel eingesetzt, auch beim "Scotchman" nicht. Es ging um den Moment: Jetzt hält's! Und jetzt löst man es auch wieder.

PZ: Gebaut, in dem Sinne, haben wir nur das Gefährt mit Klebband. Und das war auch richtig! Mit den Schraubzwingen, das war ja die "Bemannte Drehung", was bietet sich dort anderes an? Nichts! Das ist ja zwingend – die Schraubzwingen! (Gelächter)

JK : Zur Stabilität ist auch zu sagen, dass wir nie mit Schrauben gearbeitet haben, weil Schrauben die Holzlatten geschwächt hätten.

PZ: Wir haben das ja ausprobiert. Das "Gefährt" wollten wir zuerst mit Schraubzwingen machen. Dann war ja da die Überschwemmung.

JK: Dort wurde das Holz weggeschwemmt ... Das war lustig!

RN: Ein wichtiges Thema in diesen Arbeiten, das ich aber auch in späteren Arbeiten wieder finde, ist die Balance - das Ausloten von Bewegungsgrenzen, die sich neu ergeben, da ihr euch nicht wie üblich, auf zwei Beinen fortbewegt, sondern ein neues Bewegungsinstrument baut, das nur funktioniert, wenn ihr eure individuelle Kraft und euren Rhythmus aufeinander abstimmt und situativ die "Lücken" das anderen ausgleicht. Was untersucht ihr damit?

JK: Einerseits wollen wir eine Situation herstellen, die sich auch unterscheidet, weil ... wenn wir keine Befremdung einbringen, können wir auch nichts herausgreifen. Wenn wir unser Zusammenspiel nicht aussetzen, dann wird uns auch nichts klar. Ich glaube, wir waren nicht so abstrakt motiviert. Das hat sich erst durch die Länge der Zusammenarbeit herausgestellt, dass wir auch sonst Rollen einnehmen und aufteilen, dass es hin und her geht. Diese ersten Arbeiten haben uns viel gegenseitiges Vertrauen gebracht, das wir jetzt nicht mehr überprüfen müssen und uns auch klar gemacht, dass es ein Wechselspiel ist, mit dem wir arbeiten, weil wir zu zweit sind. War das ungefähr deine Frage?

RN: Mhm ... Welche Rolle spielt eure rein körperliche Kraftanstrengung in euren früheren Performances.

PZ: Was das bedeutet ...

RN: Ja, was es für einen Einsatz braucht, eure rein körperliche Kraft ins Zentrum von euren Arbeiten zu stellen.

PZ: Sie ist vor allem instrumentalisiert. Wenn es nötig war, z.B. im "Scotchman", dieses Raufhieven an diese Wand, das ist auch wieder eine Entwicklung, wie kommen wir zu der Wand, möglichst ohne Hilfsmittel. Wie weit können wir uns selber in eine Situation manövrieren, die zu diesem Punkt führt, das es so sie als Bild steht. In diesen Performancearbeiten haben wir schon sehr über den Körper versucht diese Möglichkeiten auszuloten: was geht, was geht nicht.

JK: Das liefert auch automatisch eine Intensität. Wenn wir uns während der Performance körperlich verausgabt haben, hat es automatisch dazu geführt, dass wir ganz bei der Sache sind. Das hat uns auch nach den Performances zufrieden zurückgelassen, dass wir uns rückhaltlos in der Situation wiederfanden, dass es uns ganz mitnahm.

RN: Es hat mit Konzentration zu tun?

JK: Ja, das war auch eine gute Erfahrung diese Grenzen auszuloten.

PZ: Irgendwann haben wir doch begonnen, Performances zu wiederholen. Da haben wir tatsächlich diese Erfahrung machen müssen, wir dachten, das haben wir schon gemacht. D.h. wir müssen nicht noch mal gross die Performance aufarbeiten. Denkste, das ging voll in die Hosen! Das ging nicht! Das haben wir festgestellt! Wir haben den "Scotchman" nochmals in Arbon gemacht, wir haben drei Tage hart gearbeitet, um das noch mal hin zu bringen. Das war unglaublich.

RN: Hatte das für euch Konsequenzen? Dass eine Performance in ihrer Einmaligkeit belassen werden sollte, dass sie in dem Sinne nicht wiederholbar ist?

PZ: Ja, einerseits, ich rede jetzt mal für mich, für mich war das schon ziemlich lange klar: Wir wiederholen einfach nicht! Wir wollen ja weiter. Das Ganze soll sich ja einen Weg abzeichnen, der sich entwickelt von A nach Y.

RN:... Eure Arbeiten bedeuten auch einen ganz grossen Einsatz im Vorfeld, bevor es zur eigentlichen Performance, zur konkreten Materialisierung einer Idee, vielleicht auch eine Komposition von mehreren Ideen, kommt. Die Entscheidung für das geeignete Material, das Bauen der Gefährte, das Ausprobieren der gemeinsamen unbekannten Bewegungen - welche Bedeutung hat diese intensive Zeit für euch, ist sie Teil der Performance, wie sind die Schritte von einem Gedanken, einem Bild bis zu Ausführung?

PZ: Für uns sind das schon sehr intensive Momente oder eine intensive Zeit oder, d.h. wir bewegen uns dann bereits in dieser künstlerischen Welt. Wir versuchen ja Kunst zu machen.

RN: Zieht ihr euch zurück, geht ihr zusammen in Klausur?

PZ: Das war so.

JK: Wichtig finde ich auch, dass wir die Situation immer ernst genommen haben, wo wir was tun. Zurück zur Wiederholbarkeit: Diese Arbeit ist eben HIER die wichtige und nicht da und auch nicht jetzt. Wir haben z.B. viel ums neue Jahr performt. Das waren Stimmungen, die für uns Ausdruck verlangten. Ich weiss nicht, was du genau gemeint hast, aber ich denke, dass wir im Vorfeld einer Arbeit die Sinne so weit aufklappen wie es geht und halt alles reinlassen. Dieser Teil der Arbeit ist für uns sehr wichtig. Dort holen wir einen grossen Teil der Befriedigung her.

PZ: Wir haben das doch oft festgestellt, wenn wir irgendwohin eingeladen waren, nach Genf, Bellinzona oder so ... o.k. wir gehen dann früh dorthin und sind dann die einzigen dort, obwohl noch hundert andere eingeladen sind und wir sind dann da, knallhart, und schlafen auch auf dem Boden und ziehen unser Ding auf. Und die andern fahren dann ein und stellen schnell ihre Sachen hin und fertig. Das ist irgendwie etwas, das wir schon mit einer Art Klausur verbinden können.

JK: Wir ziehen uns nicht vom Ort zurück, sondern wir gehen auf den Ort und den Zeitpunkt zu und versuchen dann zu tun was es braucht.

PZ: Genau.

JK: Wir können sehr schlecht mit vorgefertigten Konzepten arbeiten.

RN: Heisst das, dass ihr einen Übergriff macht auf die Örtlichkeiten, in denen ihr performt ?

JK: Das ist sehr wichtig.

RN: Gibt es Unterschiede zwischen definierten Räumen, Galerieräumen etc. und öffentlichem Raum? Wie ist das Verhältnis von der Erschaffung eines Inneren Raumes, das eigene Zurechtfinden als ein gemeinsames "Vehikel" zum Aussenraum?

JK: Das ist, glaube ich, das Grundthema, dass wir unsere inneren Befindlichkeiten austauschen, auf eine Einladung hin, bis sich das irgendwo verzahnt, in unserer relativ seltsamen Sprache, die sonst wahrscheinlich gar niemand versteht.

RN: Was macht denn eure Sprache verständlich?

JK: Unser gegenseitiges Kennen macht sie für uns gegenseitig verständlich. Und dann ist es unsere einzige Möglichkeit, das nach Aussen hin mit einer künstlerischen Arbeit zu manifestieren.

PZ: Wir haben ja schon oft festgestellt, wenn ich jetzt unsere Arbeit irgendwo präsentieren muss oder vertreten, ist das viel schwieriger, als wenn wir zu zweit sind. Weil wir einfach tatsächlich zwei sind. In dieser Arbeit bin ich nicht ich, wir sind wir. Ich denke, durch das sind wir auch einfach grösser. Wir sind einfach grösser. Es hat mehr Raum. Oft verstehen wir uns ja wirklich nicht und es braucht lange, diesen gemeinsamen Punkt zu finden, der sich dann für beide in einer Arbeit ausdrücken kann, dass wir beide dazu stehen können. Vielleicht ist das ja auch der Grund, dass wir so lange brauchen. Diese Intensität vielleicht, die sich dann herauskristallisiert; eben wenn eine Arbeit ... jetzt schweife ich ab ... (Gelächter).

JK: Wir filtern natürlich gegenseitig unsere Ideen. Ich erlebe das immer als eine ... es ist streng ... schränkt natürlich auch wieder viel ein und wir verstehen uns oft falsch, was sehr produktiv ist. Auch wenn wir über Sachen reden, die schon vorbei sind, merke ich: "Aha, das hast du so gemeint". Aber gerade das gefällt mir gut. Dann bleibt am Schluss nur die Arbeit, die spricht. Alles was auch die Mutwilligkeit von Metaphern betrifft, also: "Ich will das und das sagen". Das läuft ja dann nicht, sondern ich schlage etwas vor und das stimmt für Pic nicht, dann muss man das wieder einrenken, bis es für beide stimmt.

PZ: Aber ich denke auch, gerade da wir ein Duo sind, können wir das ja unendlich ausdehnen. Wir erreichen mehr Leute zu zweit als allein, denke ich ...

JK: Das ist so.

RN: Wegen der Polarität, die schlussendlich keine feste Definition hat ...

JK: Meinst du die Polarität von uns beiden?

RN: Ja, dass ihr zwei in dem Moment etwas Gemeinsames präsentiert, aber wenn man das dann wieder auseinander nimmt, gibt es doch wieder extrem Unterschiedliches...

JK: Ja, ich meine, das kann man sich als eine Membrane vorstellen, die von zwei Seiten bearbeitet wird. Eigentlich entsteht das Zeugs zwischen uns, im Zwischenraum, und nicht in einem Innenraum. Wobei natürlich beide ihre Innenräume einbringen, aber durch das wird es auch kommunikativer.

RN: Es lässt auch mehr Möglichkeiten zur Identifizierung für die Leute, die draussen stehen.

JK: Ich weiss nicht, ob wir Identifizierung unbedingt wollen.

RN: Verständnis?

JK: Verständnis glaube ich auch nicht.

PZ: Wir wollen an sich nur den Raum erweitern.

RN: Öffnen?

PZ: Nicht mal unbedingt öffnen. Weil, ich glaube, wir sind jetzt vierzig und irgendwann weisst doch du, wo du lebst, oder?
Mir geht es schon sehr um Erweiterung, öffnen finde ich ein bisschen illusorisch. Was wollen wir öffnen?

RN: Was ist der Unterschied zwischen erweitern und öffnen?

PZ: Erweiterung ist für mich ziemlich klar Freiheit, Bewegungsfreiheit.

RN: Und Öffnen?

PZ: Das ist eher einen Inhalt ... ein Gefäss öffnen. Und da ist es drin. Der Idealfall wäre, dass der Inhalt herauskommt ... also räumlich.

RN: Eure Performances "Doppelstuhl" und "Gefährt" fanden unangekündigt im öffentlichen Raum statt, auch eure Performance in Portugal "Schlagschnur". Was bestimmt die Entscheidung für eine Ankündigung eurer Ausführungen ohne gezieltes, geladenes Publikum? Was sind für euch die Unterschiede, in einem öffentlichen Raum zu arbeiten oder in einer Galerie?

JK: Korrekterweise: "Gefährt" wurde angekündigt, war aber im öffentlichen Raum. Die Arbeiten im öffentlichen Raum haben etwas faszinierendes, weil sie direkt die Situation drehen müssen. Wenn wir in einer Galerie arbeiten, haben wir das Problem, dass wir mit ... also in Galerien haben wir sowieso nicht viel gearbeitet, nur in Esther’s Message Salon, in Kunsthallen oder in subkulturellen Kunsträumen ...

RN: Ja, das meine ich mit dem Begriff "Galerie", geschlossene Räume und als Kunstraum definierte

JK: In richtigen White Cubes haben wir nicht gearbeitet, das ist nicht unbedingt was wir suchen.

RN: Das war auch nicht meine Frage, sondern der Unterschied für euch zwischen einem öffentlichen Raum, wo ihr eine Aktivität mehr oder weniger unangekündigt plant und so andere Zufälligkeiten zulasst und einem klar definiertem, begrenztem Kunstraum.

PZ: Der öffentliche Raum ist natürlich der provokativste, und der interessanteste - das haben wir schon festgestellt: Für uns ist das DER RAUM. Der Raum, ja das ist wirklich der öffentliche. Und durch das ist er natürlich auch am Unbelastetsten, d.h. je nach dem. Wir sind natürlich in der komfortablen Situation, dass wir vorbereitet im öffentlichen Raum funktionieren. Und durch das gibt es diese Momente, diese Begegnungen, diese überraschenden Geschichten, die sich dort auftun oder sich überhaupt nicht zeigen wollen. Das ist für uns schon sehr spannend geworden, das suchen wir, da wollen wir auch weiter. In diesem öffentlichen Raum, wir wollen ja die Leute schon irgendwie ... schon ... die Leute wollen wir ... wir wollen sie alle!
Und der geschlossene Raum, dass passiert ja oft auf Anfrage, wenn wir uns auf so etwas einlassen, das ist nicht so, dass wir einen geschlossenen Raum suchen, wir suchen den nicht, im Gegenteil, wenn wir in geschlossene Räume importiert werden, sind wir inzwischen sogar so weit, dass wir uns selber wieder auslagern, da arbeiten und das wieder zurückbringen. Der geschlossene Raum ist wie ein Medium, da gehen alle durch, weil dort klar ist, das ist ein Kunstraum, dort wird Kunst präsentiert. Und wer erwartet das eigentlich wirklich bewusst im öffentlichen Raum? Selten jemand.

JK: "Portugal" und der "Doppelstuhl" sind die einzigen Male, bei denen wir nicht auf Grund einer Anfrage performt haben. Wir warten sonst immer, bis uns jemand einlädt und dann machen wir was.

RN: Ihr habt in einer Schublade ’zig Ideen gelagert?

JK: Wir haben schon ein paar Ordner voll Skizzen. Oft transportieren sich Ideen weiter und sagen: "Oh, das haben wir doch schon mal gezeichnet!". Es gibt Ideen, die einfach noch heraus wollen, aber wir haben selten unsere Skizzen durchgeblättert, um noch etwas daraus zu zücken.
Es ist ja im Kopf das Zeug. Was wir auf den Blättern haben, haben wir schon lange im Kopf.

PZ: Ja, aber, wir haben doch letzthin diese lustige Erfahrung gemacht, in Portugal, wir haben auch so herumgezeichnet. Irgendwie stand sowieso an, dass die Skizzen endlich mal chronologisch eingeordnet werden und ich habe das nach Portugal gemacht und dann telefonierten wir mal und ich sagte: "Du, die Skizzen in Portugal, die haben wir alle schon 1998 gemacht, wirklich, das haben wir alles schon gezeichnet!" Das war uns damals nicht bewusst. Aber ich möchte nochmals zurückkommen auf diesen öffentlichen Raum. Jetzt diese Arbeit, diese "67 unbeantwortete Fragen", da wurden wir eingeladen, eine Arbeit abzugeben, die im öffentlichen Raum präsentiert wird. Und für uns war das dann schon auch subito klar, dass wir auch in Bern im öffentlichen Raum unsere Arbeit zusammensuchen.

JK: Das war die Paris-Erfahrung, die uns da weitermachen liess.

PZ: Für mich war das auch eine Super-Arbeit, diese Interviews, das war alles unangekündigt.

RN: Eine Frage, die mich jetzt noch interessiert zu euren früheren Arbeiten, z.B. "Ein Spiel", "Mist" und "Scotchman": Bieten diese Performances verstärkt Hinweise auf gesellschaftliche Zusammenhänge als andere Arbeiten von euch?

JK: Du nennst "Scotchman", "ein Spiel" und "Mist" im gleichen Atemzug? "Mist" und "ein Spiel", das kann man sagen, das waren Schnellschüsse, da haben wir innerhalb von drei Stunden gewusst, was wir tun wollten.

RN: Das sagt ja jetzt noch nichts über den Inhalt der Arbeit aus (Gelächter).

JK: Doch! Das sagt etwas über den Inhalt, finde ich, weil sie wahrscheinlich metaphernorientierter sind als andere Arbeiten.

RN: du wirfst "Scotchman" raus?

JK: Ja, den werf ich klar raus.

RN: Wieso ?

JK: Weil "Scotchman" eine total subtile Entwicklung war vom Klebband, an die Wand, über die Integration des Publikums, das auf dem Boden kleben bleibt und weil es eine Drehung ist. Und "Mist" hat nichts mit einer Drehung zu tun. Bei "Mist" drehen wir ja nur die Materialität des "Goldbarrens" zurück (Veranstaltungsort im öffentlichen Raum, HGKZ Zürich) Und bei "Scotchman", das bleibt fundamentaler.

PZ: Ich denke "Mist" und "ein Spiel" sind schon ziemlich integriert in unsere gesellschaftliche Abschlachterei oder Anmisterei. Es ist doch so einfach, das zu interpretieren, das Schachspiel z.B. in diesen Löchern ... du siehst nur die Köpfe.

RN: Ich möchte fragen, ob ich das richtig lese. "Scotchman" gehört für mich dazu, diese "Um-sich-selbst-Drehung" in der Kunst und dann kleben bleiben, am Eigenen. und kopfüber...

JK: Bei "Scotchman" ist das Timing total wichtig. Jetzt erzähle ich nicht wieder das mit der Fledermaus.

RN. Was ist mit der Fledermaus?

PZ: Das verwirrt nur.

RN: Was ist mit der Fledermaus?

PZ: Das ist eine Fledermaus.

JK: Die Fledermaus, wenn sie sich schlafen legt, fliegt sie hin und hängt sich kopfüber auf ...

PZ: ... und wickelt sich gleichzeitig ein. Das ist unglaublich! Und wir haben dieses Bild immer für uns gepflegt und an eine Fledermaus gedacht, die sich schlafen legt ... schlafen klebt. Aber klar, das funktioniert nicht, weil es nicht stimmt.

JK: Du meinst auch, dass eine gewisse Aggressivität reinkommt, letztlich. In Appenzell wurden wir von der Credit Suisse finanziell unterstützt, und das war ein wichtiger Punkt: Das war das erstes Mal, dass wir von einer Bank gesponsert wurden, bzw. mitgesponsert, wir waren ja mit Ester Eppstein dort. Auch die Geschichte des Appenzells, das kommt mir ein bisschen wie ein Grabenkampf vor, dieses Festhalten an Traditionen.

PZ: Wir wollten ursprünglich "ein Spiel" auf dem Abstimmungsplatz der Landsgemeinde machen, dort wird immer noch mit der erhobenen Hand gewählt; aber wir bekamen keine Bewilligung. Und dann mussten wir ausweichen auf ein kleines Stück Grün neben diesem Platz. Und darum ging es auch ... dieses kleine Appenzell, das immer noch die Köpfe offensichtlich rollen lässt.

PZ: Kennst du den "Goldbarren"?

RN: Welchen "Goldbarren"?

JK: ... wo der "Mist" drauf entstanden ist.

RN: ... erklärt es mir bitte ....

JK: Das ist ein Kunstort im öffentlichen Raum (der HGKZ am Sihlquai). Es wurde eine Stütze vergoldet, die früher entlang der Sihl diese Masten trug und dieses Vergolden hat uns genervt.

PZ: Ja, das hat uns richtig genervt. Darum haben wir auch "Mist" genommen, um das klar zu transportieren.


Sichtbarmachung des Unsichtbaren

RN: in euren Arbeiten "Maurer", Battery" und "in between" setzt ihr eine Wärmebildkamera, bzw. eine Infrarotkamera ein. Die Schwerfälligkeit der sonst verwendeten Materialien wird abgelöst durch schwindende Erscheinungen in Graunuancen, die einen Einblick geben in Zustände körperlicher, materieller Befindlichkeiten. Eure Körper werden dabei eingesetzt als unmittelbare Auslöser dieser Befindlichkeiten, ihr übertragt eure Körperwärme auf Gegenstände, lasst sie so in einem anderen Licht, einem anderem Grauwert erscheinen und übergebt sie ihren eigenen physikalischen Gesetzmässigkeiten. Das Bild selbst ist auf einen Wechsel des Erscheinens, auf Verschwinden angelegt. Wie kommt ihr von euren "konkreten" Materialisierungen auf diese feinstofflichen Zwischenebenen, deren Erscheinungsbilder für einen kurzen Moment sichtbar sind und in einer Auflösung enden.

PZ: Wir sind natürlich immer offen für neue ........das ist ja eindeutig so. Wir waren sehr froh, dass wir über diese Infrarotkamera gestolpert sind. Du, Jörg, hast das eigentlich aufgegriffen oder?
JK: Das kam schon aus der Körperarbeit heraus. Es war eine neue Dimension in der Abbildung von Körpern. Auch von den Zwischenräumen her oder auch das unsichtbare mal zeigen. Das war wirklich ein Trip, als wir da experimentiert haben und in eine Bildwelt eingetreten sind, die wir nicht kannten. Seither kann ich mir denken wie ein Raum aussehen würde, wenn er durch die Infrarotkamera gefilmt wäre. Die Spuren der Wärme und der Apparate etc.. Und das Unsichtbare- das will man doch immer..........auch schon vorher... ich verlier den Faden.......

RN: Meinst du: ihr habt auch in anderen Performances Dinge materialisiert, die nicht einfach so da sind. Mit dem Einsatz solcher Kameras transportiert ihr vieles nochmals auf eine andere Stufe, weil diese Bilder selber oder bzw. das Erscheinen von Gegenständen eigentlich von ihrer physikalischen Beschaffenheit oder Befindlichkeit abhängig sind und wieder verschwinden.

JK: es verschwand ja immer alles bei uns. Kein Loch blieb Loch
RN: Die Schwerfälligkeit von den sonst verwendeten Materialien ist nicht mehr vorhanden, bei "Battery" zum Beispiel oder auch bei " in between"
PZ: Wobei der Experimentalfilm "Maurer"....Es sieht ja wirklich aus, wie zwei komische Typen, die sinnloses Zeug machen. die Infrarotkamera hat das eigentlich erst interessant dargestellt. Aber wenn du live dabei bist, dann denkst du : Jetzt spinnen die! Einer überspritzt den anderen mit der Giesskanne – der andere sitzt nackt da – lauter so komisches Zeug.

JK: Das ist wirklich einfach ein neues Feld, das uns ermöglicht auf einer anderen Ebene zu arbeiten. Auch mit unserer Körperwärme und nicht mit unserer Körperkraft.
RN: ...das meine ich mit der Schwerfälligkeit von Materie.
JK: wobei das ebenso schwerfällig ist, die Wärme ist so langsam.
RN: Schon, aber es ist ja nicht in dem Sinn Materie wie ein Stück Holz oder Eisen.
JK: Ja klar das ist auf einer Wellenebene.
RN: ... und es geht um Befindlichkeiten ...
JK: Zustände...Vielleicht geht es schon ein bisschen um ein Misstrauen gegenüber dem Sichtbaren, aber das ist nicht so interessant. Auch sagen: Stopp! Parallel zu dem was wir so sehen passiert einiges, was wir nicht sehen.
RN: Das Sichtbarmachen des Unsichtbaren, Zwischenräume aufzeigen.
JK: Wir können da auch etwas in den ganzen Bildraum reinheben. Weniger der Wille darzustellen – mehr ein Feld zu eröffnen.


Hinwendung zum Ton

RN: Wie ist es mit der Hinwendung zum Ton? "Maurer" weist ihr als performative Videoarbeit aus, in der zum ersten mal Ton als künstliches, später hinzugefügtes Element auftaucht.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?

PZ: Das ist schon ein bisschen ein Steckenpferd von Jörg, er ist ein "Tönler", Entschuldigung, aber ich schätze das natürlich. Er fragte mich, ob ich etwas dagegen habe, wenn er ein bisschen herumschnipselt und eine Tonspur darüber legt. Und wie ich so bin, habe ich gesagt, nein, ich habe nichts dagegen. Du musst jetzt weiterreden, Jörg.

JK: Wir hatten die Versuchsphase mit der Infrarotkamera. Wir hatten das Material gesichtet und es war klar, das wir es in eine Form bringen wollten. Dieser Film war in erster Linie als Gegenleistung für die Kameramiete gedacht. Das Material war so schön schwarz/weiss wie die alten Charly Chaplin-Filme. Und Charly Chaplin finde ich sowieso toll. Auch wie er Musik einsetzt und Rhythmik. Und diese Infrarotkamerabilder waren stumm. Wir hatten kein Mikrophon angeschlossen. Und es war toll diese beiden Ebenen zu verbinden, aber es war auch eine sehr pragmatische Entscheidung von meinem Interesse her.

RN: In eurer bisher letzten öffentlichen Performance "Heute ist nicht alle Tage" spielt der Ton wieder eine wichtige Rolle: Jörg und Pic, ihr liegt je unter einem breiten Holzbrett, das euren ganzen Körper verdeckt. Auf dem Brett, unter dem Pic liegt, ist eine Kamera auf einem Stativ positioniert, die eine Raumecke einfängt. Das Atmen von Pic wird 1. als Ton über Lautsprecher in den Raum übertragen und 2. das Atmen bestimmt die Bewegung, das Auf und Ab des Kamerabildes, das auf einem Monitor übertragen wird. 3. auf dem Brett, unter dem Jörg liegt, ist ein Metallrohr positioniert. Die Bewegungen des Metallrohres werden sowohl bestimmt durch Jörgs Bewegungen unter dem Brett, als auch durch seinen Atem. Der Schlag des Metallrohres an den Rand des Brettes wird zu einem bestimmenden akustischen Moment im Raum. Einerseits wird Ton visualisiert in dieser Performance, andererseits wirkt er sich bestimmend auf die Atmosphäre im Raum aus. Was ist der Zusammenhang von Bild, Ton und räumlichem Übergriff?

JK: Was nennst du räumlichen Übergriff?

RN. Es ist wie ein gesamträumlicher Übergriff. Einerseits besetzt ihr den Raum mit eurer Präsenz. Zusätzlich schafft ihr neue Räume und Einblicke durch das Kamerabild und dann gibt es noch den Ton, den ihr aus dem Inneren, dem Zentrum, nach aussen tragt.

JK: Irgendwie sollte es etwas Unterirdisches werden. Es sollte auch unseren Grund in Frage stellen.

RN: Euren Grund?

JK: Nicht unseren Grund, den Grund der BesucherInnen. Es sollte ihnen die Möglichkeit geben, sich auf wackligem Boden zu fühlen.

PZ: Ich denke, das ist eine sehr fragile Arbeit, weil da so viel zusammenkommt. Und ich finde das noch schön, wie du das ausgedrückt hast, den "Raum besetzen". Ich verstehe das gut, was du meinst.
Das ist ja etwas, was sowieso wichtig ist, weil es ja immer so wenig ist. Wir versuchen mit wenig viel zu besetzen. Bei dieser Arbeit haben wir schon so viel reingeholt, mit dem Ton, mit dem Bild und den Leuten, die da auch noch mitmachen mussten. Wir haben das eigentlich sehr auf ein Experiment angelegt, diese ganze Arbeit und ich denke, die Bretter an sich hätten gereicht. Sie wären stärker dahergekommen, um die Untergrundgeschichte zu transportieren.

RN: Was heisst, die Bretter wären stärker dahergekommen? Stärker als was?

PZ: Die Leute, mit ihren Fähnchen, die haben sich sehr mit sich selbst beschäftigt. Indem sie sich gefragt haben, warum habe ich jetzt eine weisse Fahne mit meinem persönlichen Satz oder Wort? Das hat das Ganze in Frage gestellt. Das hat vielleicht auch unsere Arbeit umschifft, diese Arbeit unter den Brettern.

JK: Immer wieder denke ich: diese Arbeit ist noch nicht fertig. Es war seltsam und hat nicht diese Intensität hervorgerufen, die wir wollten. Aber andererseits wollten wir ja verstören. Diese Arbeit ist noch nicht mal soweit, dass wir selber wissen, was wir daraus ziehen können. An dem arbeiten wir weiter. Sie ist noch nicht auf den Punkt gebracht. Für uns war es eine grosse Ausschüttung von ganz vielen Gleichzeitigkeiten, die wir nicht wirklich bis ins Letzte kontrolliert haben, z.B. was mit den Leuten oder mit der Zeit passiert. Die Fahnen waren auch darauf angelegt, die Selbstverständlichkeit des Dialogs oder des Statements – gerade durch die Kamera, die nicht schaut – in Frage zu stellen. Das sind interessante Widersprüche: Fahnen, die beschriftet sind und doch nicht sprechen. Ein Gespräch funktioniert ja nicht mit Statements. Wir versuchten, diese Untergründe auch dort zu thematisieren. Wenn zwei miteinander reden, geht’s vielleicht nicht um die Worte, nicht um den Austausch von Statements. Und das war eine Gleichzeitigkeit, die sehr fragil daherkam und bis jetzt noch nicht geklärt ist.

PZ: Im Grunde genommen geht’s auch wieder um die Balance.
Nur, das die Dimension grossartiger ist, weil wir selber gleichzeitig in der Tiefe und im Raum funktionieren sollten.

JK: Meinst du auch im Vergleich zu "Play"?

PZ: Jetzt heben wir ja eigentlich über das Brett unsere Sprache, unseren Ausdruck. Der müsste sich ja irgendwie loslösen – von dem Brett, obwohl wir eigentlich das Moment sind – unter dem Brett; das Brett manipulieren und das Ganze geht in den Raum.

JK: Das kehrt den Blick auch um. Der Blick war ja früher bei "Play" auf das Brett gerichtet und jetzt schaut das Brett plötzlich zurück. Das sind Umkehrungen, die wir wollten.

PZ: Ja, wir bleiben dran.

JK: Diese Arbeit liefert uns jetzt noch Material, wir sind noch nicht fertig damit. Wir fanden es aber auch gut, bei Esther diese Versuchsanordnung auszubreiten, weil es ein guter Raum, der sich für solche Sachen offen hält.

PZ: Wir verstehen diesen Raum auch als Experimentalraum. Diesmal sind wir bewusst mit der Idee in diesen Raum gegangen: jetzt probieren wir etwas aus. Wir haben das für uns nicht erst abgecheckt, vorgängig, ob die Idee transportierbar ist oder ob wir durch unsere Erfahrungen im Raum neu installieren müssen. Nein. Wir haben das relativ schnell so aufgebaut und umgesetzt. Das hat sich für uns bewährt, weil eine Spannung darin steckt, aber die hat sich noch nicht wirklich herauskristallisiert. Ich denke, das wird kommen und dann ist es gut. Das es nicht mehr so wahnsinnig umredet werden muss.

JK: Die gibt am meisten zu reden, diese Arbeit.

PZ: Was wir da schon geredet haben, hoi-oi-oi ... Wir wurden angegriffen ... schwer ...

JK: Viele haben gesagt: Das war jetzt keine Performance! Was habt ihr jetzt da gemacht!

PZ: Das ging sogar so weit, das jemand sagte: Jetzt könnt ihr aber wirklich zusammenpacken.


"Soziale Skulptur"


RN: Seit 2000 befasst ihr euch zunehmend mit Zeichen "dazwischen", ihr fängt Stimmungslagen anderer Menschen ein, die sich spontan bereit erklären, Teil eurer Skulptur zu werden. Ihr selbst wirkt dabei als auslösendes Moment, stellt eine Infrastruktur, eine Aufnahmekabine z.B. im öffentlichen Raum bereit und befragt PassantInnen nach einem vorher von euch ausgearbeiteten Fragenkatalog. Einerseits interessiert euch die wahrhafte Zeit, die die Leute bereit sind, einzubringen, wie in "collection d'instants qui n'ont pas de but précis" in Paris,
andererseits befragt ihr Leute auf der Strasse nach intimen Gedanken, die oft mit Schweigen oder nicht-antworten-wollen beantwortet werden, wie in "67 unbeantwortete Fragen" in Bern. Ähnlich einer empirischen Studie verwebt ihr eure
Neugier und eure Untersuchungen am menschlichen Sein zu einer "sozialen Skulptur".
Die Ergebnisse, den Fang eurer Recherchen verarbeitet ihr zu Tondokumenten, die wiederum im öffentlichen Raum oder in einer Galerie inszeniert werden. In diesen Arbeiten bewegt ihr euch von euch selbst weg, werdet Auslöser für Material, das euch andere liefern, das ihr zusammen setzt für das eigentliche, für ein Publikum bestimmte Produkt. Wie kam es zu dieser Bewegung "hin zu <Anderen>" ? Was hat euch motiviert, Platz zu machen für andere?

PZ: Für uns war das zwingend, das wir diesen Schritt einfach tatsächlich vollziehen und rausgehen. Die Leute in unser Interesse einbinden, sozusagen; auf die gleiche Ebene stellen, würde ich mal sagen. Oder, das wir versuchen, uns auf die Ebene der Gesellschaft einzulassen, also nicht mehr zu differenzieren, "Hey, ich bin Künstler, ich mache Kunst und du bist mein Objekt, ich brauche dich, weil ich Kunst mache". Ich meine damit, dass es für uns wichtig wurde, einen Kontakt zur Gesellschaft aufzubauen, der banal und auch einfach ist.

RN: Für mich ist das ein Widerspruch zu dem, was du vorhin gesagt hast, weil ich eure Arbeiten, in denen ihr als Performer auftretet – egal ob jetzt Publikum dabei ist oder nicht – als wesentlich begreife, während ihr auf Menschen zugeht, um Material zubekommen, das ihr verarbeitet und danach erst das Produkt habt. Während ihr vorher selber ja schon euer Produkt seid.

JK: Das stimmt nicht unbedingt, was du über die früheren Arbeiten sagst. Das sind alles Erzählungen, die wenigsten Leute, die unsere Arbeiten kennen, haben unsere Performances gesehen. Das ist auch schon eine Form von Erzählung, du kennst es von Videos her. Und diese Ebene ist ja relativ ähnlich, das es eine Erzählung gibt von dem, was wir gemacht haben. wenn wir mit den Leuten auf der Strasse sprechen, haben wir auch die Umformung davon: wir gehen auf die Strasse, lassen uns auf andere ein und erzählen das nach. Wir haben natürlich Absichten und versuchen natürlich inhaltlich auch wieder Sachen zu verdrehen. Für uns war es schlussendlich ein relativ flüssiger Übergang. Es war kein Schritt ins Unbekannte. Auf jeden Fall kam es mir so vor, als eine selbstverständliche Entwicklung.

RN: Was ja frappant ist, ist, dass ihr selber nicht mehr auftretet. In diesen zwei Kollektionen, die ihr gemacht habt, hört man noch eure Stimmen, da seid ihr noch präsent. Aber z.B. in eurer Arbeit "Traumlage", die ihr für die "Hellen Nächte" in Basel gemacht habt, tretet ihr nicht mehr in Erscheinung. Ihr inszeniert die Leute vor der Kamera, ihr macht auch Interviews mit den ihnen, aber eure Stimmen sind im Endprodukt nicht mehr präsent.

PZ: Wobei "Traumlage" war sehr auf dieses Quartier zugeschnitten. Diese Umschreibung des ganzen Projektes war so ausgerichtet. Es geht um diese Leute in diesem Quartier.


JK: Nein, das war nicht so, wir haben uns sogar daran gestört. Die Idee war, an die Wände der Häuser Bilder zu projezieren über Visionen, was in diesen Häusern passiert. Und wir haben gesagt: wir stülpen nicht unsere Bilder über die Häuser, sondern wir gehen in die Häuser rein und holen die Bilder raus. Wir fanden das irgendwie auch respektlos und unfair. Und dort haben wir eigentlich performt. Wir sind einen Tag lang mit Kamera und Mikrophon herumgejagt – von Mensch zu Mensch – und nur schon, wenn du an die Türe klopfst, dann beginnt die Performance – extremer als auf der Bühne. Du musst diesen Menschen, die du noch nie gesehen hast, klar machen, das du etwas Seltsames von ihnen willst. Du musst ihnen klar machen, dass du Künstler bist, dass du mit ihnen sprechen willst, dass es nicht darum geht, sie zu verarschen oder sie zu beklauen. – Mir kam das nicht so verschieden vor vom Performen, von meinem Gefühl her, das war eigentlich sehr verwandt.

PZ: Das haben wir jetzt schon x-mal betont, dass wir weiterhin performen, obwohl wir eigentlich nicht mehr in diesem klassischen Sinne auftreten, das betonen wir jetzt ja ständig, ich glaube, das hast du ja auch gehört.

RN: Was für mich dabei der Unterschied ist, ist, dass das Endprodukt, was ich als BetrachterIn geliefert bekomme, ohne euch statt findet. D.h. ich sehe eine Videoprojektion, ein Videotape, mit Ausschnitten von dem, was ihr erlebt habt, während ihr performt habt.

JK: Wir wollten uns aus dem Produkt schon irgendwie ein bisschen herausziehen ...

RN: ... diese Bewegung interessiert mich.

JK: Es ist auch mühsam, wenn man sich immer selber sieht, wenn man Video schneidet, das macht gar nicht so viel Spass. Es lenkt auch ab von dem um was es geht.

RN: Das verstehe ich nicht ganz ...

JK: Wenn wir zwei als Figuren funktioniert haben - das konnten wir tun, solange uns das interessiert hat - haben wir versucht keine Rolle zu spielen usw. Aber dass wir schon da eigentlich nicht gespielt haben und Situationen herstellen wollten, in denen wir keine Rollen spielen, sondern einfach etwas tun, das verhält sich bei den neueren Arbeiten, z.B. "Traumlage", viel ähnlicher wie für die BetrachterInnen. Und für uns ist es nicht so wichtig, dass wir auf dem Bild sind, weil es gar nicht um uns geht - es ging auch schon vorher nicht um uns - es ging um den Prozess oder um das Ding an sich oder um die ... Es war nie eine Selbstdarstellung, sondern eine prozessorientierte Darstellung. Also Selbstdarstellung, das ist es nicht um das wir kreisen.

RN: Im Unterschied zu euren anderen Arbeiten, fungiert ihr sowohl in Bern, wie auch in Paris oder Basel als Auslöser. Diese Arbeiten haben ein Produkt zur Folge: einmal gibt es die performative Situation auf der Strasse, wo ihr die Leute interviewt und ihnen eine Infrastruktur bietet, einen Kasten, in dem sie sich situationieren, in dem sie euch Zeit schenken oder in dem sie auf eure Fragen antworten oder eben nicht. Auf Grund der Ergebnisse dieser performativen Situation entsteht ein neues Produkt. Die Situationen von der Strasse werden von euch neu zusammengesetzt, zu einer CD verarbeitet, die ihr später als Toninstallation einsetzt und so ihrem ursprünglichen Kontext entzogen.
Das ist doch eine ganz andere Art und Weise in den Hintergrund zu treten, als wenn ihr z.B. euch mit eurem Gefährt durch die Flusslandschaft dreht und vorwärts bewegt.
Was hat euch zu dieser neuen Arbeitsweise veranlasst ?

JK: Für mich war die Brücke das Arbeiten mit der Infrarotkamera. Mit der Infrarotkamera sind wir in einen Bereich eingetreten, wo der Körper auch schon mal von uns abstrahiert wurde. Es waren zwar noch unsere Körper, aber nicht mehr in einer gewohnten Darstellung. Und dann kam die ganze "Zeit" mit rein. Auch wenn man die Zeit in Ruhe lässt, tut sie. Und Zeit ist wichtig für die Leute, die Kunst wahrnehmen wollen, dass sie die Zeit aufbringen. Und diese Zeit haben wir in Paris eingefordert. Wir sagten eigentlich: Wir drehen das Spiel um, wir wollen nicht mehr da sein und ihr schaut uns zu, sondern wir wollen euch klar machen, dass wir eure Zeit wollen. Und dass es nicht wichtig ist, ob ihr uns dabei zuschaut, wenn ihr die Zeit einfach in Ruhe lasst, sozusagen. Pic, du siehst das vielleicht anders?

PZ: Ja, vielleicht. Die Brücke als solches, das weiss ich nicht genau. Wir haben einmal ein intensives Gespräch geführt, da mag ich mich gut erinnern, wo wir uns tatsächlich gesagt haben: Performance in diesem Sinne, wie wir sie bis jetzt gemacht haben ... – was weiss ich wann die letzte Performance in diesem Sinne war – wir müssen da einen neuen Kick reinbringen! Das fand in Paris ja dann auch statt. Wir gingen mit diesem Gespräch und Gedankengut nach Paris und setzten das in ein neues Spannungsfeld. Mit dem Gedanken einerseits mit den Leuten zu arbeiten und andererseits auch, dass wir selber einen neuen Aufgabenbereich knacken, das war schon so. Das war ziemlich klar da.

JK: Wir waren auch überdrüssig, die Hampelmänner zu spielen.

PZ: Irgendwie kamen wir uns plötzlich verarscht vor ...

JK: Auch das physische Risiko, das wir in den früheren Arbeiten eingingen, um Intensität herzustellen, wurde dann irgendwann zum Zirkus für uns ... je länger wir das betrieben. Es ist wie ein Schwertschlucker, Seiltänzer ...

RN: Euch gingen inhaltliche Momente verloren?

JK: Die Intensität wurde plötzlich falsch interpretiert. Uns ging es ja um ein Jetzt. Oder um eine Zeit, in der wir uns auch nicht mehr haben. Aber die Zuschauer erlebten nicht eine Zeit, in der sie sich nicht haben, sondern sie bangten, ob unsere Konstruktionen halten. Und das war nicht unser Ding, das wollten wir nicht weiter forcieren, sonst wären wir in den Zirkus abgerutscht.

PZ: Wobei für uns auch ziemlich klar war, dass wir das Gefühl hatten: Wir kommen nicht mehr weiter. Dass wir eigentlich unser Interesse an der Performance wie ausgeschöpft haben, unserer persönliches Interesse, was wir da rausholen können. Die Drehungen, dann in die Vertikale und dann Schichtungen, Stülpungen, es hörte dann einfach mal auf. Und wir haben uns wirklich klipp und klar gesagt: Wir wollen uns nicht wiederholen! Auch wenn wir das vielleicht verschieben, ästhetisch, visuell, eine leichte Verschiebung reinbringen, z.B. – das wollen wir nicht. Wie der Heiner Lüber, z.B., das wollen wir nicht. Wir wollen weiter. Und das haben wir auch geschafft ... zum Glück!

JK: Wir haben uns auch in die Gedanken reingedreht. Es ging plötzlich um Sprache, um abstrakte Begriffe. "Die Sammlung der Zeit" ("Collection des instants sans but précise") das ist ja nicht etwas effektiv vorhandenes, das ist ja ein Gedankenkonstrukt. Und dort drehen wir weiter, nicht mehr nur in der Physis.

RN: Ihr habt euch damit auch vom Bild entfernt. ...

JK: Ich weiss nicht, z.B. "Traumlage" ist bildstark.

RN: Diese Bilder wären ohne den Ton nochmal ganz was anderes. Der Ton ist sehr ausschlaggebend in dieser Arbeit ... Die "67 unbeantwortete Fragen" haben kein Bild mehr...

JK: Ich mag Bilder sowieso nicht ... (Gelächter). Mich interessiert es schon, von den Bildern wegzukommen.

PZ: Ja, ohne Bilder geht es ja dann trotzdem nicht. Jeder hat ja seine Bilder, auch wenn wir keine Bilder zeigen.

RN: Ja, es ist etwas anderes, ob ihr mit Ton Bilder evoziert oder ob ihr Bilder liefert.

PZ: Ja, natürlich ist das etwas anderes. Wenn ich dir mein Bild aufzwinge, dann ist klar, dass es nicht dein Bild ist.

RN: Trotz allem habe ich aber dann auch noch mal ein Bild von deinem Bild. Das hört ja nicht auf. Es geht immer weiter. Wenn ich aber nur mit Ton konfrontiert werde, geht es erstmal wirklich nur um mein Bild, weil ich nicht zusätzlich noch ein Bild geliefert bekomme.

JK: Dort arbeitest du als BetrachterIn auch mehr selber.

PZ: Aber es ist ja auch da drin, es ist ja irgendwie da, wir wollen ja, dass die Leute ja eigentlich ihre Bilder einfliessen lassen in unsere Arbeit. Wir klären die Leute ja auch auf, wir überrumpeln sie nicht. Wir klären jeden Menschen vorher auf, was wir wollen. Und dass sie auch das Recht haben abzuwinken, wenn es ihnen zu intim oder zu blöd oder wie auch immer wird. Wir wollen ja diese Gleichberechtigung von den Akteuren zu uns oder von uns zu ihnen. Auf eine Art wollen wir von ihnen ihre einfache, komische Welt. Weil wir ja auch hier leben. Wir sind ein Bestandteil von diesem Quartier in Basel. Wir sind ein Bestandteil von diesen Leuten. Ich könnte auch einer von ihnen sein. Ich glaube nicht, dass ich mehr dazu sagen kann. Oder mich besser ins Licht stellen könnte. Wir wollen diese Gleichberechtigung auch. Ausser, dass wir das thematisieren. Wir thematisieren diese Banalität. Diesen Unsinn.

RN: das Kleine im grossen Alltag.

PZ: Das Kleine im grossen Alltag, ich weiss nicht ob es das ist. Ich drehe halt schon um dieses Gesellschafts ... äh ...

RN: ... um diese Statusgeschichten, die sich dann auflösen? Ihr hättet auch die gleichen Fragen in der Grünau in Zürich stellen können und wahrscheinlich hätten die Leute ähnlich geantwortet.

JK: Wir versuchen nicht, gesellschaftliche Vorurteile zu reproduzieren. Wir haben keine Bilder, wenn wir daran gehen. Wir wollen etwas rauskriegen. Manchmal, wenn wir diese Arbeit gezeigt haben, dann lachten die Leute und fanden: Mensch, ist das doof, und das hat uns sehr gestört. Wir finden das gar nicht doof, wir finden das interessant. Es ist ein Abgrund der Begrifflichkeit gegenüber der Welt. Wie man seinen Garten beschreibt, mit dem Gefühl zu wissen, dass das sein Garten ist oder wie man sich selbst beschreibt und meint, das man das sei. So sicher wie man ist, sich selber zu sein, so wenig kann man es mit Gedanken und Worten belegen.

RN: Das wäre dann auch der Zusammenhang mit der Arbeit in Bern "67 unbeantwortete Fragen". Dass so viele Leute mit Nichtantworten geantwortet haben, hat mich erstaunt ...

JK: Wir haben es zusammengeschnitten...

RN: Gäbe es wohl einen Unterschied, wenn ihr diese Arbeit in Berlin machen würdet, in Barcelona oder in London ...

JK: Der Berner Singsang und der Stimmfall und die Zeit, die sich die Berner lassen, die war schon wichtig. Dass es bis zu geschlagenen 10 Sekunden geht, bis jemand antwortet, das ist ja fast wie bei den Indianern (Gelächter).

PZ: Das sind natürlich Unterstellungen.

JK: Ja, da gibt es doch diese Bilder. Sie sitzen zusammen und dann muss man warten. Wer zuerst spricht, der hat schon fast verloren. Falls das stimmt. Aber ich finde das was Tolles, wenn man so viel Zeit verstreichen lässt, denn das ist ein Resonanzraum, der da aktiviert wird. Und genau dieser Resonanzraum ist unbeschrieben oder mindestens nicht lesbar, aber doch spricht er irgendwie. Das finde ich schön. Das ist, wie wenn du eine Münze in einen Brunnen fallen lässt und je länger es geht, ohne dass etwas passiert, um so tiefer ist er. Aber diese Arbeit haben wir speziell für Bern gemacht, mit unserem Wissen über Bern.

PZ: Also nochmals, was wollen wir mit dem. Wir wollen doch zeigen, wo sind WIR.

RN: ... das grossgeschriebene WIR?

PZ: Und nicht "wir". Und die Leute waren uns teilweise in Bern sehr dankbar, dass wir sie ein bisschen in ein Bewusstsein rücken konnten, dass sie so oberflächlich funktionieren.

JK: Das wird auch geschnitten ... (Gelächter)

PZ: Dann können wir ja gleich alles streichen.

JK: Wir sind ja keine Messias. Wir rücken ihnen ja nicht mehr ins Bewusstsein als uns. Es geht ja nicht um irgendwelche Botschaften.

PZ: Irgend eine Hoffnung ist schon da, bei mir zumindest. Dass ich etwas auslöse mit dieser Arbeit. ...vielleicht auch eine Veränderung. ... das wünsche ich mir.

RN: Jetzt frage ich noch, ob es bei euren Arbeiten Verweise gibt auf die Kunstgeschichte.

JK: Klar.

RN: wo positioniert ihr euch in der Kunstgeschichte und im gegenwärtigen Diskurs ...

PZ: Ich habe da nicht viel zu sagen, ausser vielleicht, dass wir immer versuchen, wenn wir eine Arbeit machen, dass sie nicht schon gemacht wurde. Das wäre an sich auch eine Aufgabe, die man vielleicht etwas seriöser nehmen sollte.

JK: Ich finde, dass können die Anderen für uns ...

RN: Ok., vielen Dank für das Gespräch.

JK: Auch vielen Dank.

PZ: Ja.