Hans Renggli
Eins und Zwei, und die Langsamkeit
Geduldig und langsam widmet sich der Aargauer Künstler Peter Küng(*1951)
der Malerei. Malen ist für ihn Vorarbeiten auf den Moment hin, da sich
das Bild ereignet. Ausstellung in der Galerie im Trudelhaus Baden. Bis 11.
April
Im Gespräch über seine Bilder erwähnt Peter Küng die
Alchemie. Er sei auf der Spur von etwas, das die Vernunft übersteigt.
Etwas, das zumindest im Medium der Sprache nicht erklärt werden kann:
die Vereinigung des Unvereinbaren. Dennoch ist Küng alles andere als
ein aufklärungsfeindlicher Mystiker. Er ist ein Maler, der die Kunstgeschichte
kennt und sehr viel und genau darüber nachdenkt, was ein Bild eigentlich
sei. Dabei interessiert ihn nicht das Bild als prunkvoll errichtetes Gebäude,
ihn interessiert was eine Gebäude überhaupt trägt und ihm
Festigkeit und Dauer verleiht - das Fundament. So liegt die Struktur, mit
der er arbeitet, offen da, denn sie ist zumeist äusserst einfach: Ein
Träger (Leinwand/Papierbogen), eine Form und eine Farbe stellen das
Grundrezept dar. In Abwandlung kommt dann manchmal eine zweite Form dazu.
Beziehung ist auf jeden Fall wichtig, sei es die Beziehung der einen Form
zum Bildrechteck, die Beziehung der zwei Formen zueinander oder die Beziehung
des als Einheit genommenen Bildes zum Betrachter. Eins als das Einende und
Zwei als das Trennende bilden in Küngs Arbeiten wandelbare Konstanten,
insofern als sie, je nachdem wie man hinschaut, ineinander übergehen.
Und dieses Hin und Her kann mit zunehmener Konzentration auch als pulsierende
Bewegung wahrgenommen werden, so dass das eigentlich statische Bild zum
atmenden Organ wird.
Beispielhaft dafür sind die Bilder, mit der einen gelben Form. Der
an den Rändern verschwimmende Fleck entspricht ungefähr einem
auf die Spitze gestellten Quadrat, seine Ausdehnung etwa dem quadratischen
Bildträger. Diesen Fleck hat Küng über eine lange Zeit durch
Schichten, Abtragen und erneutes Schichten mit verschiedenen Gelbpigmenten
zu einem Farbkörper verdichtet. Auch in dieser Materialisierung liegt
ein alchimistisches Paradox, ist doch Gelb als die strahlendste und lichtnaheste
Farbe am denkbar ungeeignetsten für Körperbildung. Doch genau
diese "Unmöglichkeit", Licht als Körper zu vergegenwärtigen,
fordert ihn heraus.
Gelb ist Küngs Hauptfarbe. "Wenn diese Farbe zum stimmen kommt,
hat sie sehr viel mit mir zu tun." Gewiss ist es nicht das extravertierte
Vorprellen, das man dem Gelb nachsagt. Küng neigt eher zur Zurückgezogenheit.
Er schätzt die langen Tage, die er allein im Atelier verbringt, wo
er sich über Monate mit der Erscheinungsweise einer Zitrone im Wechsel
der Lichtverhältnisse aufhalten kann. Die lebenden Heiligen seien
im Frühmittelalter mit einem rechteckigen Heiligenschein dargestellt
worden, sagt er, und stellt eine mögliche Verbindung zu seinen "Gelbkörpern"
her. Küng-König-Krone-Aureole: Das Bild ist das Rätsel des
krönenden Moments, wo reale Gegenwart aufscheint.
Eine andere Farbkonstante von Küng ist das Schwarz, das eigentlich
gar kein Schwarz ist, sondern eine Mischung von Erde, Krapplack und Preussischblau.
Küngs Bilder und Zeichnungen mit den schwarzen Formen, erzeugen eine
Vorstellung von Gegenständen, besonders Gefässen. Die Nähe
zum Stilleben wird manifest. Küng hat die Geschichte des Stillebens
studiert. Ihn interessiert dieses Dasein des unscheinbaren, gewöhnlichen
Dings, das auf einmal zum metaphysischen Ereignis wird. Er stellt Gefässe
nicht eigentlich dar, aber auf das Motiv des Gefässes ist deutlich
verwiesen. Das Gefäss ist Behälter, ist Form für Inhalt,
so wie das Bild Behältnis ist für die flüchtige Substanz
des Geistigen.
Kommt Geist tatsächlich ins Bild, oder ist das nur eine verstiegene
Illusion? Die karge Verfassheit von Küngs Bildern steht in einem beinahe
absurden Verhältnis zur langen Entstehungszeit. Nicht selten sind es
Jahre. Doch genau diesem Dehnen der Aufmerksamkeit in die Langsamkeit
und Dauer verdanken sie offensichtlich ihre Geladenheit. Das gilt auch
für die Zeichnungen, die nichts tun haben mit der Charakteristik gestischer
Bewegung und schneller Präzisierung, die man dem Medium gemeinhin zuschreibt.
Auch hier geht es um eine Verschmelzung von Gegensätzen. Was in der
Linie als Gestik aufscheint, ist in ihrer Entstehung das pure Gegenteil.
Küng zieht die Linie nicht, sondern impft das Pigment dem Papier gewissermassen
ein, indem er die Linie in bewusster Langsamkeit Stäubchen für
Stäubchen zum "Materialkörper" aufbaut. Das Flüchtige
hält Hochzeit mit der Dauer.