Hans Renggli

Das leichte Glück Schauens


Der in Düsseldorf lebende Schweizer Künstler Beat Streuli (42) zaubert mit riesigen Dia-Panoramen den Welthauch der Metropolen in die Kunsthalle Zürich. Bis 24. Oktober

Beat Streulis künstlerisches Konzept ist von äusserster Einfachheit. Zugespitzt könnte man sagen: Er perfektioniert das Urlaubsfoto. Von den Millionen Erinnerungsbildern, die täglich weltweit anonym geknipst werden, gibt es gewiss Tausende, die an Streulis Qualitätsstandard herankommen. Es sind ganz einfach gute Bilder. Beim heute ausgereiften technischen Stand der Apparate und des Materials gelingen Fotos leicht, sofern man einige einfache Grundregeln beachtet. Streuli achtet auf sonniges Wetter und die Nähe zum Motiv. Die Prägnanz der Wiedergabe, die Modellierung und die Brillanz der Farben besorgt die Fototechnik dann wie von Zauberhand allein.

Wenn man dann, wie Streuli, so ein Foto monumental vergrössert oder gar als überlebensgrosses Dia projiziert, mag dem Schauenden unvermittelt eine berauschende Pracht aufgehen, die mitten ins Herz der Welt trägt. Er sieht Gestaltungen, Farbklänge, Nuancen der Oberflächen, die dem blossen Auge sonst entgehen. Dank dem Kamerauge hebt sich der Schleier von der Magie des Sichtbaren weg und erzeugt das staunende Da, das für einen Augenblick die Existenz zum Ganzen rundet, dem nichts zuzufügen bleibt.

Aus der Erfahrung und Erkenntnis dieser dem Farbfoto immanenten Magie schöpft Streuli sein Werk. Seine Foto-Prints und die zum Loop geschlossenen, filmisch choreografierten Diaprojektionen sind ausgereift und künstlerisch enorm konsequent. Zur tragenden Kunst wurden sie, weil sich Streuli entschlossen hat, die Augenblicke des Verweilens bei der Magie des Sichtbaren so gut als möglich auszudehnen, ja zum Lebensinhalt zu machen. Derart ist er sozusagen zum professionellen Urlauber geworden, der mit dem Auge am Sucher durch die Weltstädte (Tokio, Sidney, London, Chicago) schlendert auf der Jagd nach Bildern, die das Dasein im Schauen zum Sinn verdichten.

Und es ist nicht irgendeine Welt, die ihn fasziniert. Streuli richtet sein Augenmerk (wenn die Sonne scheint, nur dann gibts farbkräftige Bilder) auf die Ströme vorbeiziehender Menschenmassen in den Hauptadern der Städte. Mit dem Teleobjektiv holt er einzelne heran, um sie der Anonymität zu entreissen. Neugierig ergründet er die Haken und Widerstände der Individualität im gestreuten Gleichmass der ziehenden Herden. Am häufigsten fotografiert er jugendliche Einzelpersonen, von deren "Lebensgefühl des nomadischen Dazwischenseins" (Kurator B. Bürgi) er sich angezogen fühlt. 

Im Museum sucht Streuli dann mittels Projektion sein Hochgefühl des Dabeiseins in der grossen Welt für das Publikum zu rekonstruieren. Damit seine synthetischen Analogien des Stadtraums auch funktionieren, braucht er grosse, abgedunkelte Räume. Die wandhohen Dias leuchten mehrteilig auf, verblassen und werden von nächsten überblendet. Streuli kann den Rhythmus der Bildabfolge und der Überblendungen mittels digitaler Steuerung frei choreografieren. So formt er filmähnliche, stockend-fliessende und oft enorm verlangsamte Bewegungswellen, deren wegtragende Wirkung von der einlullenden "Perkussionstik" der rasselnden Diawechsler noch verstärkt wird. " Die ständige Wiederholung der Dias, die Beruhigung der urbanen Geschwindigkeit und das Eigenlicht der Projektionen in der Dämmerung des Umraums entwickeln eine tranceartige Gleichförmigkeit...", schreibt Bürgi.

In der Kunsthalle sind Passanten-Bilder aus Tokio, Sidney und Chicago zu sehen, die alle 1999 entstanden. Die Figuren stehen immer im Vordergrund. Der Raum der Strasse selbst bleibt Im Ungefähren. Die raumkomprimierende Wirkung des Teleobjektivs rückt die Dinge wie Autos, Schilder, Architekturfragmente in ein farbiges Nebeneinander von oft hochästhetischer, gegenstandsfremder Qualität. Derart erscheint auch die hässliche, lebensfeindliche Seite der Metropolen zum Schönen transformiert und erzeugt im Einklang mit der Jugendlichkeit und ethnischen Vielfalt der Abgebildeten eine optimistische Grundstimmung. Angleichung und multikulturelle Vielfalt zeichnen das Theater des modernen Lebens aus.