EDITORIAL



Beam me up ist eine Internet-Publikation mit kulturtheoretischen und naturwissenschaftlichen Essays und mit netzbasierten Kunstwerken.

In der Online-Publikation Beam me up stellen wir die Frage nach unserem heutigen, durch die Medien erweiterten Raumverständnis. Was Cyberspace und virtuelle Realität genannt wird, eröffnet die vage Vorstellung eines nur als symbolisch gedachten Raumes, der schliesslich auch zum Ort realer Präsenz und Handlung wird.
Beam me up, Scotty – diese populär gewordene Aufforderung aus der Science-Fiction-Serie Star Trek enthält als poetische Zauberformel die Vorstellung einer Transzendenz zwischen unterschiedlichsten Raumqualitäten. Tatsächlich weisen heute Physiker für die bizarre Welt der Quantenmechanik die Möglichkeit einer Teleportation von Photonen nach, während sich die Kulturwissenschaften für den Begriff des spatial turns stark machen. Postuliert wird die Hinwendung zu topischen Ansätzen, zu Räumen als Bühne historischer und kultureller Ereignisse. Dagegen scheinen politische Utopien (gr. Nicht-Orte) in der globalisierten Gesellschaft keinen Platz mehr zu haben. Der Raum gibt Anlass zur Beunruhigung, stellte Michel Foucault 1964 fest: Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und Fernen, des Nebeneinander und des Zerstreuten. Jahrzehnte später bestellen hungrige Amerikaner ihre Next-door-Pizza telefonisch über die Vermittlung von in Indien arbeitenden Call-Centers, ohne sich ihrer telefonischen Weltreise bewusst zu werden.

Es gibt in der Welt nicht nur den Raum Newtons – jenes gleichförmige, nirgends ausgezeichnete, nach jeder Richtung hin gleichwertige, aber sinnlich nicht wahrnehmbare Auseinander. Der Raum unserer leiblichen Anwesenheit ist ein anderer als der Raum seiner bildlichen Darstellung, und Staatsgrenzen trennen andere Räume als die Pforte zum Jenseits. Es gibt eine Vielfalt von Raumkonzepten und Techniken, um Entfernungen und Grenzen zu überwinden.
Das Eigentümliche des Raumes können wir nach Martin Heidegger vielleicht finden, indem wir versuchen, auf die Sprache zu hören. Wovon spricht sie im Wort Raum? Darin spricht das Räumen. Dies meint: roden, die Wildnis freimachen. Das Räumen erbringt das Freie, das Offene für ein Siedeln und Wohnen des Menschen. Räumen ist Freigabe von Orten. Urtümliche Entdecker-Metaphern wurden auch für die Raumerfahrung des weltweiten Netzes geprägt. Im WWW zeigt sich uns sprachlich der Navigationsraum von Seefahrern, Wellenreitern, Piraten und Logbuchschreibern, eine erstaunlich verlangsamte und anschauliche Welt, wenn man bedenkt, dass bereits die frühe Eisenbahn mit ihrer bedächtigen Transportgeschwindigkeit die Elementarbegriffe von Zeit und Raum ins Schwanken gebracht hat. Heinrich Heine: Durch die Eisenbahn wird der Raum getötet, und es bleibt nur noch die Zeit übrig.
Der virtuelle Raum des Webs lässt sich im Grund ebenso bereisen, durchqueren und erobern, wie der alte Raum der ersten Realität. Paul Virilio spricht von einem audiovisuellen Vehikel, das man für diese Reisen benützt. Fortbewegung auf der Stelle, das Aufkommen einer letzten Generation von Vehikeln, von Fernverkehrsmitteln, so als ob sich die Eroberung des Raumes endlich als die Eroberung allein der Bilder des Raums erwiese.

Das Projekt Beam me up entwickelt seine Abhandlung zum Raumthema im zugleich  weltumspannenden wie raumnegierenden Medium Internet, dessen Technologie sich auf Kabelnetze und flache, gerahmte Bilddisplays stützt. So können auch die KünstlerInnen für ihren Projekt-Beitrag keine raumausgreifenden Installationen, Skulpturen und Architekturen entwerfen, sondern sind, wie die wissenschaftlichen AutorInnen, medial zurückgebunden an Texte, Töne und an den zentral-perspektivischen Bildraum. Welche erweiterten Möglichkeiten die KünstlerInnen im Netzmedium finden, werden wir im Verlauf unseres Projekts sehen. So bietet die Publikation Beam me up dem Publikum ein vielstimmiges plastisches Nachdenken im Medium eines immer noch jungen, vielen Menschen zugänglichen, globalen Kommunikationskanals.
Die Publikationsform eines Internet-Magazins mit eigens dafür produzierten Kunstbeiträgen ist bisher noch kaum bekannt.  Tatsächlich vereinigt unser Internet-Magazin alle Qualitäten der digitalen und vernetzten Medientechnologie. Dazu gehören die weltumspannende Teilnahme von AutorInnen - von China und Indien über Europa und Amerika -, der private Zugang am heimischen Computer für das Publikum und die Anwendung verschiedener Multimedia-Formate, die bei Beam me up je nach Beitrag an eine virtuelle Kunstausstellung, an einen Fernsehkanal oder an eine elektronische Zeitschrift denken lässt.

Für Beam me up arbeiten wir mit GastkuratorInnen zusammen. KunstexpertInnen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten erhalten die Einladung, auf der Basis einer vordefinierten Honorarstruktur KünstlerInnen, NaturwissenschaftlerInnen und GeisteswissenschaftlerInnen mit Beiträgen zum Projektthema zu betrauen und kuratorisch zu betreuen. Durch ihre Mitarbeit erhoffen wir uns eine Öffnung des thematischen Diskurses, eine Erweiterung des internationalen Spektrums von Beitragenden und in der Folge auch eine Erweiterung der Projektöffentlichkeit.

Über die kommenden Monate hinweg wird das Beam me up Magazin regelmässig um neue Beiträge erweitert. Dabei haben die eingeladenen Autorinnen und Künstler die Möglichkeit, mit Hilfe der editorischen Tools unserer Datenbank ihre Beiträge selbst zu gestalten und zu verknüpfen. Weil die Materialfülle schnell anwachsen wird, laden wir in einer nächsten Phase unsere GastkuratorInnen dazu ein, eine limitierte Auswahl bestehender Beiträgen in der Form von subjektiven Kapiteln als Guided Tours zusammenzustellen. Dieses Angebot soll den Besucherinnen die Übersicht über Beam me up erleichtern.

Beam me up ist eine neue Online-Produktion von xcult.org. Seit 1995 organisieren und kuratieren wir internetbasierte Kunst- & Textprojekte, welche sich mit Fragen unseres Realitätsverständnisses und unserer Mediennutzung auseinandersetzen.

Reinhard Storz