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Wie man eine Seele baut
eine Arbeit von
Monica Studer / Christoph v d Berg


Werkbesprechung von Reinhard Storz, 1997

In ihrer Arbeit Wie man eine Seele baut zeigen Monica Studer und Christoph van den Berg Seelenmodelle aus Gips und Styropor.

Die Seelenformen berechnen sie mit Hilfe eines selbst entwickelten Computerprogramms. Für die Grundform der reinen Seele gehen sie von einer Kugel aus, das Programm errechnet aus individuellen Dateneingaben die entsprechende Abweichung. Auf dem Monitor erscheint als virtuelle 3D-Gestalt ein gewölbter, verdrehter und zerbogener Körper, den die Künstlerin und der Künstler massstabgetreu in eine Gips- oder Styrporform umsetzen. Diese Skulpturen nennen sie Seele, oder genauer: das Modell zur Seele der Person, von der die Eingaben stammen.

Im Kunstspiel sind also die Eingabe von Daten, das sie verarbeitende Programm und sein errechnetes Produkt. Hinter dem Spiel stehen die Künstler als Regelmacher, im Spiel die Klienten als Auftraggeber ihrer Seelenberechnung und vor dem Spiel stehen wir und reiben uns entgeistert die Augen. So sollen Seelen aussehen?

Da zappeln wir in der Falle und stellen uns die Seele vor. Wenn man sich abstrakte Dinge vorstellen will, wie Liebe, Charakter und Seelen, wirds objektiv diffus. Man versucht zu konkretisieren: Liebe kann man machen, Charakter kann man haben, eine Seele hat man, sagt man. Wie reagieren wir in der Begriffsfalle des Künstlerpaars? Wir bleiben ernst und analysieren das System. Eingegeben werden der Name des Klienten und die Daten einer Karteikarte, welche er oder sie, die Klientin, aus der Kartei "Stadt D" auswählt. Diese Karte enthält Angaben zu Gebäuden, und die Klientin wählt vermutlich die Karte mit ihrem favorisierten Gebäudekomplex. Nach diesen Eingaben wird die persönliche Seele berechnet. Wenn wir jetzt denken "Oh Gott, wie plump!", zappeln wir wieder. Wir haben zwar nicht klinisch fundierte Daten in einem wissenschaftlichen System erwartet, aber wenigstens ihre glaubwürdige Fiktion.

Studer / v d Bergs Kunst deliriert in den nicht kompatiblen Sphären von technischer Wissenschaft und mystischer Kultur. Und wir delirieren mit, schon lange vor ihrer Fragestellung. Als Kind haben wir gelernt, es gibt eine Seele, auch ich habe eine. Und seit unserer Kindheit glauben wir an die Wissenschaft als objektivierendes Frage-und-Antwort-System. Der Urknall ist wahr, die Genesis nur symbolisch zu verstehen, der Körper ist wahr, die Seele nur eine metaphysische Grösse. Haben Frauen Seelen (eine Frage noch vor 100 Jahren), haben Tiere Seelen, wenigstens die Menschenaffen? Sind die Menschenrechte vom Seelenbesitz abhängig und wie ist das bei der Abtreibung? Ist Seele = Ich oder haben wir den Begriff, weil er nicht mehr greift, längst aufgeben? Dann ist Seele endgültig nur noch ein schwäbischer Diminutiv.

Mit dem Wort Seele richtet das Künstlerpaar erstaunlich viel an. Ein lächelndes Nachdenken, ein ungläubiges Überprüfen, eine leerlaufende Imaginationsanstrengung.

Was bleibt, wenn wir vom Seelenbegriff absehen? Eine wissenschaftlich anmutende Methode: Input, Programm, Output. Das Künstlerpaar füttert die Maschine und delegiert den Akt der Formgebung an die Software. Erst zum Schluss treten die Programmierer wieder als Handwerkerinnen auf, sie realisieren die Entwürfe massstabgetreu in Gips und Styropor. Die Formen wirken organisch, stecken voller kunsthistorischer Erinnerung und sind doch keine abstrakten Skulpturen. Sie sind auf der Stufe des Modells konkretisierte Seelen.

Da sind wir wieder ins Spiel zurückgekehrt und spielen es gern. Wir glauben an die Atommodelle der Wissenschaft und machen vergnügte Miene zum Seelenmodell der Kunst. Am Grenzort zwischen Metaphysis und Form war sie schon immer zu hause, immer schon versuchte sie den Dingen und uns einen Sinn einzutreiben und die Seele herauszukitzeln.

Studer und van den Bergs Kunst ist Science Fiction vom feinsten, sofern wir nur den Kopf hinhalten.